Thanner, Billi - literature
„Kunst zum Umarmen ?“
Billi Thanners Venusbild ist wie ihr gesamtes Oeuvre vieldeutig, vielsinnig und vielfältig, aufreizend in seiner Widersprüchlichkeit. Jede Kategorisierung ihres Werks wäre einengend. Frei bewegt sich die junge Künstlerin zwischen Aktionismus, Performance, Bildhauerei, Malerei, Objekt- und Konzeptkunst. Jeder definitiven Einordnung, jedem Schema, jeder Spezifizierung entzieht sich Billi Thanner, überall streift sie an. Im Thema der Venus reflektiert sie das allgemein projizierte Frauenbild in seiner Geschichte und Gegenwart, kritisch, ironisch, subtil und direkt. Sie hinterfragt das Kollektiv wie das einzelne Gegenüber wie sich selbst, nichts und keiner bleibt ungeschont. Die Irritation ist intendiert - und wird versöhnt, denn Billi Thanners Venus ist schön, offensichtlich wohlgefällig. Gegen jeden Dogmatismus steht das Werk für sich, frei zur jeweiligen individuellen Interpretation, oszillierend zwischen Tragödie und Komödie, Humor, Liebe und Lust. Billi Thanners Werke machen mit Tiefgrund Spaß.
Ein spannungsreiches Gegenüber zu jener freien Entfaltung stellt die ganz andersartige Wirklichkeitsform der Gemälde Robert Klemmers dar. In einer eigenständigen Position zwischen den Polen des Wiener Aktionismus und des Surrealismus entwickelte Robert Klemmer bereits in den frühen 60er Jahren einen eigenen Realismus. Sein bestimmendes Thema war die Selbstdarstellung. Er schuf zahlreiche Selbstporträts, meist im markanten gestreiften Anzug, in landschaftlicher wie in städtischer Umgebung oder ohne weiteren Zusammenhang, in genuiner, präziser Malweise. In der großformatigen Serie der „Läufer“ malte er sich in eigenwilliger Rückenansicht, manchmal pointiert mit vergoldeten Schuhsohlen. Im „Rosenbild“ taucht er sein Bildnis in bizarres pathetisches Rot, in „Die Hochzeit des Klemmer“ gibt er seine Präsenz als Zeitungsabbildung vor. Die realistische Übersetzung einer Zeitungsseite ins Überdimensionale zur Mitte der 60er Jahre unterstreicht seine Modernität und Nähe zur gleichzeitigen amerikanischen Pop Art. Seine bevorstehende internationale Karriere wurde 1972 durch seinen tragischen frühen Tod abrupt beendet. Bisher war Robert Klemmer trotz anerkannter Qualität nur einem begrenzten Kennerkreis bekannt.
Otto Muehls breites künstlerisches Spektrum ist die dritte Position in Philipp Konzetts sehr differenziertem Messeprogramm. Brennpunkt bilden Muehls seltene Zeichnungen aus dem Gefängnis (1991-97). Diese Ölkreidezeichnungen auf Malpapier und Karton liefern ein starkes Konzentrat seines brisanten Repertoires: Sämtliche Themen Otto Muehls sind zu finden, mit akzentuiertem Strich, oft farbig zugespitzt: Klassische Sujets wie Gegenstände und Tiere, kodierte Motive aus der Kunstgeschichte, daneben Körper und Akte, die eine Syntax aus Sinnlichkeit und Sexualität offenbaren, wollüstig und anstößig, energetisch und frappant. Es sind nicht nur hochrangige Kunstwerke des freigeistigen und vielleicht radikalsten Künstlers der österreichischen Ästhetik. Sie stellen auch bedeutende Dokumente der österreichischen Kunst- und Geistesgeschichte dar, deren evidenter Stellenwert, wie das Werk Billi Thanners und Robert Klemmers, spezielle Wertschätzung gebührt.
back to Billi Thanner